Gerne nehme ich den Aufruf zur #quereinstiegsparade an, in dem ich von meinem persönlichen Quereinstieg berichte:
Viele verbinden mit dem Quereinstieg etwas Neues, Positives, Gewagtes:
- „Raus aus der #Komfortzone“
- Dynamischer Wechsel in einer #agilen Welt
- #Einfachmalmachen
- nochmal studieren & Dabeisein beim #lebenslangenLernen.
Nicht immer, aber doch sehr oft basieren diese Entscheidungen auf eigenen Planungen, Veränderungen, Lebensabschnitten. Wechsel werden besprochen, mit der Familie und Freunden diskutiert, zeitlich terminiert und vorbereitet. Auszeiten werden aktiv genutzt.
Wie John Stepper diese Woche auf der #ZP2018 sagte: „Wandel verbindet man mit Schmerz“. So lange wir aktiv mitbestimmen, können wir diesen Schmerz in positive Energie umwandeln und etwas Neues starten.
Doch was ist wenn der Break durch einen äußeren Impuls bestimmt wird? Wenn ein Quereinstieg zwingend notwendig wird, obwohl man ihn weder geplant hat noch für jemals notwendig erachtet hat…?
Als die Entscheidung zu 100% feststand, dass ich berufsunfähig bin und meinen Traumjob als Koch in der Sternegastronomie an den Nagel hängen muss, war da rein gar nichts Positives dabei. Gefühlschaos aus Orientierungslosigkeit, Leere, Erstarrung, Fassungslosigkeit – so würde ich es aus heutiger Sicht beschreiben. Damals war da eher Wut und die Erkenntnis, dass es keinen Plan B und keine zweite Karriere geben könne. Ich war vor allen Dingen sehr lange überzeugt davon, dass es keinen weiteren Beruf außerhalb meiner ursprünglichen Berufung - alternativlos seitdem ich denken kann - gibt, in dem ich noch einmal ansatzweise erfolgreich und gut sein kann.
Karriereende mit Mitte 20 kann sich – neben dem inhaltlichen Aspekt – auch finanziell nur ein Profisportler leisten. Dank des deutschen Versicherungssystems, was Fluch (Bürokratie) und Segen (Sicherheit) zugleich für mich war, kam ich über eine Umschulung zum Bürokaufmann wieder auf die Beine.
Ich war von einem auf den anderen Moment raus aus der Gastronomie, aus einem total rauen Umfeld, aber auch weg von sehr besonderen Kollegen, die für mich wie eine zweite Familie waren. Nach Ansicht meines Umfeldes konnte ich mich dafür glücklich schätzen geregelte Büroordnung, überschaubare Arbeitszeiten und ein fixes Vergütungssystem zu haben. Aber auch ein hierarchisches Gerüst, in dem ich wieder ganz unten anfing. Und ganz unten hieß auch genau das.
Neuer Start in der Berufsschule mit 16-18jährigen, deren Lebenswelt so ganz anders aussah als meine: während Schminktipps und Playstationspiele diskutiert wurden, plante ich nebenbei den Hausbau mit meiner Frau. Und dann die vermeintlichen Kleinigkeiten, die ich für immer ad acta gelegt hatte: Berichtsheft schreiben, Schulunterricht und Urlaub nur während der Schulferienzeit. Zurück auf Azubi im ersten Lehrjahr.
Während ich aber nach meiner ersten Ausbildung genau wusste, dass ich Koch sein werde und meine Karriere in der Küche starten kann, kam mit Abschluss der zweiten Ausbildung die bittere Erkenntnis: für eine Karriere im Managementbereich ist die Ausbildung wenn überhaupt erst der Anfang, der kleine erste Schritt.
In der Küche tüftelt man mit Kollegen noch einmal eine Nacht an neuen Gerichten, probiert aus, guckt sich gegenseitig über die Schulter, tauscht sich kreativ aus und wird immer besser.
Im Management heißt es auch heute fast immer: was als Können nicht auf einem Abschlusszeugnis dokumentiert ist, hat man auch nicht. Somit war mein Ausbildungsweg noch lange nicht zu Ende: rein ins Studium, neben dem neuen Job berufsbegleitend zum Bachelor und anschließend zum Master. Würde ich nicht im Hochschulbereich arbeiten, wären die Abschlüsse vielleicht nicht ganz so hoch angesetzt – hier sind sie unerlässlich.
Quereinstiege sind eine Kombination aus Schicksal und Zufall, aber auch immer aus Leistung und Engagement. Die positive Wende kam bei mir noch während des ersten Studiums. Die unverhoffte und ein bisschen unreale Chance auf eine Leitungsposition im Marketing und – damals noch ohne dass es einer von uns ahnte – der Beginn der Doppel[t]spitze.
Aus einem Beruf wurde auf jeden Fall der Job, den ich sowohl fachlich wie auch persönlich mit Leben füllen konnte. Und zum ersten Mal war die Kombination aus meiner Erfahrung als Koch (Umgang mit Teams, Zeitdruck, Kreativität und Motivation) genauso wichtig wie die operativen Kenntnisse im Marketing. Und genau das ist die Fähigkeit, die mich auszeichnet und mich jetzt viel schneller als gedacht erfolgreich macht. Und mich anders denken lässt. Was manchmal unangepasst wirken mag passt jetzt perfekt!
Es war genau das eingetroffen, was ich selbst nicht für möglich gehalten habe: nämlich in meinem Job noch einmal richtig gut zu sein. Und mein Job war jetzt tatsächlich der als Marketingleiter. (Ganz nebenbei kam mein anderer neuer Job, nämlich der als Papa, nur ein Jahr später dazu – Energie für ganz viel Neues ist aus dem Quereinstieg also tatsächlich entstanden).
Aktuell leite ich mit Julia 40 Mitarbeiter und damit den größten Bereich der Hochschule. Im letzten Jahr haben wir mit der Gründung und Leitung der Business School ein neues Geschäftsfeld begründet. Kein weiterer Quereinstieg, aber wieder ein Neustart. Ideen haben wir nach wie vor genug für ganz viel Neues.
Aus der jetzigen Perspektive kann ich John Stepper zustimmen – Wandel bedeutet Schmerz. Und den in positive Energie umzuwandeln braucht viel Kraft, den Wunsch zum Lernen und Menschen, die unterstützen. Der Erfolg ist es wert.
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