Ein Blogartikel über New Work? Na großartig. Und über WM? Fabelhaft. Vermutlich haben wir an der Stelle 95% der mutig Interessierten wieder aus dem Rennen geworfen. Für die die dran bleiben: Es kommen heute ungewohnt kritische Töne zum Thema New Work und den Möglichkeiten absolut flexibler Arbeitszeiten und -plätze.
Angeregt zum Schreiben haben uns tatsächlich die WM und das heutige Deutschlandspiel. Und die Frage, ob denn nun im Büro und mit dem ganzen Team ab 16 Uhr Fußball geschaut werden darf. Wir leben ein sehr flexibles Arbeitszeitenmodell. Und scheinbar eine ganz nette Teamkultur.
Eigentlich.
Denn trotzdem muss unser Empfang für externe Besucher besetzt sein, mögliche (fußballuninteressierte) Kunden sollten telefonisch versorgt werden und dann haben wir auch noch ausgerechnet heute eine Messe gebucht, deren Stand ja irgendwie auch besetzt sein muss.
Im Team hat sich die Lösung erstaunlich schnell gefunden: es gibt ausreichend viele Kollegen und Kolleginnen, die ein Kundentelefonat dem wilden Geschrei vor dem Fernseher und dem Rudelgucken im Meetingraum vorziehen. Und solche, denen eine (vermutlich ruhiger Messetag) lieber ist als die schlauen schwarz-rot-goldenen Kommentare der unzähligen Trainer vor den Bildschirmen. Problem also gelöst.
Aber was, wenn dem nicht so wäre? Dann lässt sich flexibles Arbeiten und eine individuelle Work-Life-Balance nicht immer ad hoc realisieren.
Wenn wir im Zuge der Digitalisierung positiv denkend davon ausgehen, dass getaktete Arbeit z.B. am Fließband oder im Schichtbetrieb durch Maschinen übernommen wird (und die vorherigen Kollegen dort hoffentlich früh genug die Chance hatten, ihren Tätigkeitsbereich umzugestalten), dann bleiben immer noch unzählige Arbeitsplätze, die räumlich und zeitlich nicht beliebig „agilisierbar“ sind.
Der Lehrer steht nun einmal von 8 bis mindestens 13 Uhr vor einer Klasse. Und selbst wenn hier Tablets zum Einsatz kommen, wird er den Unterricht nicht von zu Hause aus durchführen und insgesamt auch nur bedingt zeitlich flexibel. Ein Schulsystem im Fernstudium ist zumindest für jüngere Schüler kaum eine absolute Option – auch wenn digitale Elemente auf jeden Fall positiv zu bewerten sind!
Wenn die Bahnfahrerin plötzlich auf halber Strecke anhält, weil sie nach 5 Stunden ihr persönliches Arbeitszeitkonto für den Tag als angemessen gefüllt ansieht, werden die flexibel in der Bahn arbeitenden und reisenden Menschen das wohl kaum gutheißen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem uns irgendwann kein menschlicher Bahnfahrer mehr fährt.
Unsere eigene Tätigkeit führen wir nicht mehr in Vollzeit aus aber, wünschen uns eine Kinderbetreuung genau zu den Zeiten, die uns individuell passen – was für Kitas unabhängig vom Standort (Stadt vs. ländlicher Raum) einen hohen Personal- und Zeiteinsatz sowie Öffnungszeiten weit über eine „normale“ Arbeitswoche hinaus bedeutet. Das gilt gleichfalls für einen Großteil der Sozial-, Gesundheits- und Pflegeberufe, deren detaillierte Betrachtung wir uns hier aufgrund fehlender Fachkenntnis nicht anmaßen möchten. Eine zusätzliche Verschärfung fehlender Flexibilisierung ergibt sich hier durch die Knappheit der Arbeitskräfte und die Notwendigkeit hoher Stundenzahl aufgrund geringer Verdienstmöglichkeiten.
Je flexibler also bestimmte Wirtschafts- und Unternehmenszweige künftig arbeiten, desto mehr müssen wir darauf achten, andere im Gegenzug nicht in noch engere Korsetts zu zwingen. Unsere eigene Flexibilität verbinden wir in der Regel mit der Erwartung eines breiteren Angebots bei allen Dienstleistungen, die wir jederzeit in Anspruch nehmen möchten. Dazu gehören Öffnungszeiten, Servicegeschwindigkeit und Vielfalt. Dabei in Kauf zu nehmen, dass uns im 24h besetzten Empfangsbereichs dann künftig Maschinen statt Menschen begrüßen und bedienen, fällt uns aber noch sehr schwer.
Wir müssen also definitiv das System des neuen flexiblen Arbeitens über alle Wirtschaftszweige hinweg beobachten sowie ständig und offen querbeet, fachfremd und vernetzt darüber kommunizieren. Es gibt sicher viele Möglichkeiten des selbstorganisierten und selbstbestimmten Arbeitens, die wir (noch) nicht immer sehen oder vielleicht aufgrund unserer Gewohnheiten noch nicht sehen wollen. Genau diese Form des Arbeitens muss auch unser festes Ziel für die Zukunft sein. Weil sie motiviert und zufrieden macht!
Was nicht passieren darf ist, dass die Flexibilität einiger weniger (Büro- und Wissensarbeiter) zum Nachteil derer wird, bei denen die individuelle Work-Life-Balance aus unterschiedlichsten Gründen nicht realisierbar oder auch finanzierbar ist!
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