#12 Gastbeitrag von Katharina Nolden
Feedback nach Vorstellungsgesprächen zu geben, ist für mich ein Herzensthema. Wir sagen mehr Bewerbern ab als zu und daher sehe ich hier enormes Potenzial mein Arbeitgeberimage positiv zu stärken indem insbesondere auch diese Personengruppen positiv über ihr Bewerbungserlebnis spricht. Kandidaten geben sehr viel in Vorstellungsgesprächen von sich preis, mehr als die Unternehmensvertreter. Außerdem verbinden sie mit einem Vorstellungsgespräch die Hoffnung auf eine Anstellung. Auch aus diesem Grund ist es mir wichtig, wertschätzend mit meinen Bewerbern umzugehen und zumindest nach einem persönlichen Gespräch transparent zu sein, warum es nicht geklappt hat.
Die zwei häufigsten Gegenargumente, die ich erhalte, sind, dass es wegen des AGGs oder aus zeitlichen Gründen nicht möglich sei. Aus meiner Sicht sind beide Begründungen nicht plausibel. Im Folgenden will ich Ihnen erklären warum. Natürlich ist es nicht komplett kostenlos, da es Zeit kostet, die sich Unternehmensvertreter nehmen müssen, jedoch im Vergleich zu den Kosten und Nutzen von Imagekampagnen, ist es zumindest sehr kostengünstig und aus meiner Sicht sehr effektiv.
Kein Feedback wegen AGG
Aus meiner Sicht besteht keine Gefahr, wenn die Einstellungsentscheidung nicht aufgrund von Alter, Geschlecht, Religion oder anderen in diesem Gesetz enthaltenden Merkmalen gefällt wird. Es sind nur ein paar Punkte zu beachten. Ich achte darauf, dass ich Feedback nie spontan am Telefon gebe, sondern ich vereinbare immer einen separaten Termin auf den ich mich mithilfe meiner Notizen aus dem Gespräch vorbereite. Des Weiteren gebe ich nie schriftliches Feedback. Darüber hinaus gebe ich Feedback immer selber und delegiere es nicht an die Fachabteilung, weil die weniger Routine in diesen Gesprächen haben und ihnen auch der Hintergrund aus dem AGG oft nicht präsent ist.
„Jemand anderes hat fachlich noch besser gepasst“
Diese Aussage ist so ziemlich das unbefriedigendste Feedback, welches nach einem Gespräch gegeben werden kann. Schlimmer finde ich nur noch die Aussage „Wir konnten Sie uns nicht so gut in unserem Team vorstellen“. Beides mag stimmen, jedoch hinterlässt es bei dem Kandidaten oft einen Nachgeschmack. Es ist nichts woran er arbeiten könnte und so richtig konkret weiß er immer noch nicht worum es eigentlich geht. Bei Kandidaten, die länger auf der Suche sind, können solche Rückmeldungen auch wirklich an dem Selbstbewusstsein kratzen. Ich empfehle daher eine strukturierte und transparente Vorgehensweise auf Augenhöhe.
Richtiges Feedback – so kann es gehen
In meinem Blog sind bereits Artikel zur Erstellung eines Anforderungsprofils sowie zur Fragetechnik erschienen. Diese beiden Methoden, korrekt und konsequent angewendet, geben mir die Möglichkeit Feedback zu geben, welches dem Kandidaten wirklich nützt und zugleich keine rechtlichen Gefahren birgt. Im Folgenden beschreibe ich Ihnen ein Beispiel.
Ich hatte eine Position zu besetzen bei der es aus verschiedenen Gründen sehr wichtig war, dass die Person unter Druck, auch ohne Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten, Entscheidungen treffen kann. Dieses Kriterium hatten wir in unser Anforderungsprofil aufgenommen. Da es kaum vergleichbare Situation in anderen Zusammenhängen gibt, hatten wir uns Verhaltensanker überlegt hinsichtlich wie die Person mit Druck umgehen soll. Im Gespräch fragte ich alle Kandidaten, wann sie zuletzt so richtig unter Druck geraten und wie sie damit umgegangen seien. Ein Kandidat antwortete, dass er immer unter Druck gerate, wenn er mit dem Zug fahren muss, weil er befürchtet, dass der Zug zu früh abfahren könnte, daher sei er immer mindestens eine halbe Stunde vor Abfahrt am Bahnhof. In diesem Zusammenhang war klar, dass dies aus unserer Sicht keine gute Voraussetzung für unsere ausgeschriebene Position war. Im Feedbackgespräch sprach ich das an. Der Bewerber antwortete mir, dass er sich schon gedacht habe, dass dies die „falsche“ Antwort auf die Frage gewesen sei. Ich sagte ihm jedoch, dass ich ihm sehr dankbar für seine offene Antwort sei, da sie mir die Möglichkeit gegeben habe, einzuschätzen, ob er der richtige Kandidat für die Position sei. Ich sagte ihm außerdem, dass das Gespräch grundsätzlich in Ordnung gewesen sei und dass ich mich freuen würden, wenn er mich anriefe, falls er eine andere Position in unserem Unternehmen entdecke, die ihm gefiele und wir dazu ins Gespräch kommen könnten. Im Back-Office oder in der Sachbearbeitung hätten wir ihn uns durchaus vorstellen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt in Feedbackgesprächen ist für mich, dass ich verdeutliche, dass ich nicht die gesamte Person bewerten möchte, dass es sich nur um einen ersten Eindruck aus einem Gespräch handele, dass es aber im Vergleich zu der Entscheidung gekommen sei, dem Kandidaten abzusagen. Ich versuche dadurch dafür zu sorgen, dass er konkrete Ansatzpunkte hat, die er für sich selbst reflektieren kann, aber auch klar zu machen, dass ich ihn nicht als Person ablehne.
Keine Zeit für Feedback
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass die meisten von uns im Recruiting ein hohes Arbeitspensum haben. Jetzt noch ein Feedbackgespräch vorzubereiten und durch zu führen, erscheint viel Aufwand. Vor allem, da es auch unangenehm sein kann, anderen Menschen persönlich am Telefon eine Absage zu erteilen. Ich habe es so gehandhabt, dass ich nicht per se allen Feedback gegeben habe, sondern hauptsächlich denen, die von sich aus darum gebeten haben und mich angerufen haben oder Kandidaten, die ich gerne für unser Unternehmen „warm halten“ wollte. Jeder muss für sich sehen wie er es zeitlich unterbringen kann. Wenn ich weniger operativ unter Druck stünde, hätte ich den Anspruch, alle anzurufen, die zum persönlichen Gespräch da waren anstatt nur eine Email zu schicken. Diesem Anspruch kann ich jedoch nicht immer gerecht werden.
Warum sich Feedback lohnt
Für mich geht es allerdings nicht ausschließlich um die menschliche Komponente, sondern ich sehe es auch als eine hervorragende Möglichkeit, mein Arbeitgeberimage zu stärken. Mir ist es nicht verständlich, warum manche Unternehmen riesige Imagekampagnen fahren und vermitteln was für tolle Arbeitgeber sie seien, dann aber sich an dieser Stelle entscheiden so wenig wertschätzend zu sein. Dann entsteht schnell der Eindruck, dass die Inhalte der Kampagne gar nicht so ernst gemeint seien. Und diese Kampagnen sind echt teuer! Ich bin davon überzeugt, dass sich Unternehmen durch persönliches und individuelles Feedback stark von ihren Mitbewerbern im Bewerbermarkt abheben können und sich dadurch einen positiven Ruf in der Zielgruppe erarbeiten können, den keine Imagekampagne erreichen kann. Zudem ist es aus meiner Sicht das authentischere Instrument. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass Fachkräfte nicht mehr als Nummer im Bewerbungsprozess behandelt werden und außerdem einen echten Einblick in das Unternehmen erhalten wollen. Standardabsagen bergen somit auch die Gefahr, dass sich ein Kandidat nicht erneut bewirbt.
95% der Kandidaten, denen ich persönliches Feedback gegeben habe, haben sich sehr gefreut und sich bedankt. Sie sind es nicht gewohnt, dass sie Feedback erhalten und dadurch konnte ich unser Unternehmen von allen anderen positiv abheben. Die verbleibenden 5% haben angefangen mit mir zu diskutieren oder haben geweint. Gut, das ist nicht angenehm, gehört aber dazu und ist menschlich.
Starten Sie durch
Nutzen Sie dieses fast kostenlose Marketinginstrument. Wenn Sie sich unsicher sind, beraten Sie sich nochmal mit Ihrer Rechtsabteilung. Bereiten Sie sich gut auf das Gespräch vor, ggf. auch mit Gesprächsnotizen. Lassen Sie sich nicht in Diskussionen verwickeln und zeigen Sie Mitgefühl für die eventuelle Enttäuschung. Und um es nochmal mit den Worten des Personalleiters von Google zu sagen:
„Einstellungsgespräche sind heikel, weil man ein recht intimes Gespräch mit Menschen führt, die man gerade erst kennengelernt hat, und die Bewerber sind in einer verletzlichen Situation. Es lohnt sich immer, Zeit zu investieren, damit es ihnen am Ende gut geht, weil sie anderen Leuten von ihrer Erfahrung berichten werden – und weil das einfach die richtige Art des Umgangs mit Menschen ist.“ Bock, Laszlo: Work Rules, 2013, S. 91
Autorinnenprofil
Katharina Noldens Wunsch ist es die Arbeitswelt zu gestalten. Das bedeutet, einzelne Menschen in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung voran zu bringen und Unternehmen darin zu unterstützen mit den „richtigen“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, erfolgreich zu sein. Ihre Leidenschaft liegt insbesondere in den Themen Employer Branding, Recruiting Personalentwicklung und agile Arbeitsweisen.
Sie ist Diplom-Pädagogin mit dem Schwerpunkt Personalentwicklung und zudem Coach der Wirtschaft (IHK) und Scrum Master (scrum.org). Katharina verfügt über Erfahrung aus der Unternehmensberatung, der Bildungsbranche, der Energiebranche, der Personaldienstleistung sowie im Gesundheitswesen. Zudem hat sie einen Lehrauftrag an der Universität Hannover inne. Erfahren Sie mehr auf www.katharinanolden.wordpress.com
oder folgen Sie ihr auf Twitter @NoldenKatharina !
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