#4 Gastbeitrag von Katja Diehl
Es ist doch immer wieder fantastisch, wieviel wir über New Work und Digitalisierung sprechen, posten, bloggen können – um uns dann doch wieder zu ertappen, wie wir an die Grenzen unseres eigenen Wachstums stoßen.
Auch ich habe mich jüngst viel on- und offline über diese Themen ausgetauscht, weil mich interessiert, wo die Hemmnisse des Wandels vor allem in der Arbeitswelt und in der Mobilität liegen. Denn das sind zwei meiner Schwerpunkte, die mich (bezogen auf die Mobilität) schon seit Jahrzehnten begeistern, und die untrennbar voneinander abhängen.
Denn Neue Mobilität bedeutet ebenso das Loslassen alter Strukturen wie es für das neue Arbeiten vonnöten ist.
Zwei Fragen dazu:
Wäre der Dieselskandal in Konzernen, die nach Neuem Arbeiten und silofrei agieren, möglich gewesen?
Sind Personalabteilungen großer Konzerne bereits dafür aufgestellt, anders denkende, befruchtende, kompetente Mitarbeiterinnen nicht nur zu finden, sondern auch für ihr Unternehmen zu begeistern und sie dann auch zu halten?
Meine Antwort zu beiden Fragen:
Nein.
- Warum ich so denke?
Gerade der Mobilitätssektor ist wie viele andere traditionelle und historisch gewachsene Branchen enorm behäbig im Wandel. Zwischen den Konzernen scheinen Nichtangriffspakte zu bestehen, der Markt ist aufgeteilt. Start Ups, die agil nach neuen Möglichkeiten suchen, sind oftmals noch nicht im Bereich der kritischen Masse, um als relevant wahrgenommen zu werden. Und kommunal organisierte Verkehrsunternehmen, die ich als Basis der Neuen Mobilität betrachte, sind noch auf dem Weg, sich überhaupt an einen Konkurrenzgedanken zu gewöhnen. Jeder arbeitet für sich in seinem Kästchen am wirtschaftlichen Erfolg, denn daran wird er gemessen. Kollaboration und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit sind Mangelware. Es bleibt bei Monokulturen: In den Unternehmen suchen Gleiche weiterhin noch Gleiche, wenn sie neue Mitarbeiterinnen benötigen. Weil sie durch den Verbleib unter Gleichen nicht bemerken (können oder müssen), wie überlebenswichtig der Wandel und damit die Suche nach „Anderen“ wäre.
Und nicht erst heute, eigentlich schon seit vorgestern. Denn Wandel benötigt Zeit. Dieses Verhalten ist menschlich, aber nicht professionell. Denn wir wissen mittlerweile, dass heterogene Teams erfolgreicher sind, weil sie anders und vor allem auch mal querdenken. Eingespielte Teams mit ähnlichen Hintergründen in Ausbildung und Sozialisation werden es auf der Marathondistanz, die ein Berufsleben bedeutet, nie schaffen, sich von innen heraus zu hinterfragen und zu verbessern. Hier scheitert die Einzelperson, die diesen Wandel intrinsisch motiviert vorantreiben möchte, an den internen Machtverhältnissen, die gewachsene Strukturen erhalten wollen.
Und dabei nicht zuletzt auch beizeiten am Kunden vorbei agieren, weil sie diesen aufgrund ihrer Homogenität und Einigkeit intern aus dem Blick verlieren.
Heterogen bedeutet in der Mobilitätsbranche vor allem auch: weiblich.
Dabei denke ich nicht, dass Frauen die besseren Menschen sind. Aber wir machen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus, das sollte sich in Führungspositionen widerspiegeln. Leider kenne ich immer mehr Frauen, die diese Kraft des Wandels, des Kampfes für die Nachfolgenden nicht mehr aufbringen wollen. Die lieber eigene Unternehmen aufbauen, anstatt antiquierte zu ändern. Auf einer Veranstaltung wurde von einem Mann nachdenklich die Frage gestellt:
„Was machen wir, wenn alle guten Frauen die Konzerne verlassen, weil sie keine Lust mehr auf die Anstrengung haben? Verändern sich ohne sie die Strukturen schnell genug – geschweige denn überhaupt?“
Interessante Frage, die wir im kleinen Zirkel fortführten. Und den Begriff der „Übergangsgeneration“ formten. Vielleicht sind wir diejenigen, die unter großer Anstrengung die Veränderung vorantreiben müssen, ohne die Erfolge einfahren zu können?
Und damit kommen wir zur Personalauswahl. Ich habe im Herbst dieses Jahres auf drei sozialen Netzwerken gepostet, dass ich nach einem kurzen Ausflug jenseits der Mobilität zurückkehren will.
Mobilität zu verändern, das treibt mich so an, dass ich es auch weiter beruflich fördern möchte. Innerhalb von drei Wochen wurde mein Tweet 40.000 Mal angesehen. 90 Mal geteilt. Über 730 Mal wurde mein Twitterprofil, 600 Mal mein LinkedIn-Profil angeklickt. Ich war total überrascht von diesem „Candystorm“, der mir zeigte: Es bedarf eben nicht nur KI, um zu matchen, manchmal funktionieren noch die alten Prozesse wie „Empfehlungsmarketing“.
Ich hatte diverse Anrufe von Headhuntern und Personalerinnen. Zum Teil wurde ich aufgefordert, mich direkt bei Unternehmen zu bewerben, weil ich als passend eingestuft wurde – vom Fachbereich. Teilweise gab es dabei sogar Bewerbungsverfahren, die ich als innovativ einstufte, um dann doch wieder Bestätigung zu erfahren, dass die Vorstellungen von Fachbereichen und Personalerinnen immer noch zu sehr auseinander driften. Während der Fachverantwortliche sehr genau weiß, was er als „Gesamtpaket“ haben möchte, schaut
der Personalverantwortlich in der HR auf fehlende Abschlüsse und Skills, die man sogar theoretisch in Kürze aufsatteln könnte.
Dem Fachbereich geht es um Mindset und Erfahrung, der Personalabteilung um Abschlüsse.
Wie schaffen wir es, dass wir gute Menschen in unsere Unternehmen bringen und halten? Ich will nicht dafür plädieren, Selbstständigkeit zu verhindern, aber ich glaube, dass Unternehmen Menschen benötigen, die sie voranbringen. Die mutig Wandel verkörpern und dabei sicher auch nicht immer bequem sind. Die nicht nach 40-Stunden-Woche und Statussymbolen gieren, sondern nach persönlicher Entwicklung und Freiheit im Denken. Das klingt alles sehr pathetisch, entspricht aber meinen Beobachtungen. Ich persönlich habe meinen Traumjob gefunden, weil mein neuer Arbeitgeber anders denkt. Ebenso wie ich.
Es ging nicht um Lebensläufe und Anschreiben, es ging um das persönliche Kennenlernen, sowohl der Inhaber als auch der zukünftigen Kolleginnen. Denn meine Eignung für die Stelle war in Sachen „Skills“ durch mein LinkedIn-Profil nachgewiesen. In sehr offener und wertschätzender, aber auch humorvoller Atmosphäre haben wir uns in insgesamt fünf Treffen kennengelernt, Fragen gestellt, und nicht zuletzt auch thematisiert, wie die vertraglichen Grundlagen sein sollen. Ich fühle mich fast ein wenig befreit, dass diese Art des Recruitments tatsächlich existiert. Hoch professionell, aber eben auch menschlich.
Rakete eben – um bei Mobilität zu bleiben…
Autorinnenprofil
Katja Diehl kommt aus Hamburg und ist selbstständige Kommunikations- und Unternehmensberaterin mit Schwerpunkten in Neuer Mobilität, Neuem Arbeiten und Digitalisierung.
Nach einem Start als Journalistin und Pressesprecherin sowie Expertise in leitender Funktion bei Konzernen der Logistik- und Mobilitätsbranche wird sie ab Ende November door2door in Berlin als Lead PR & Communications unterstützen.
Das StartUp hat eine Mobilitätsplattform entwickelt, die Verkehre weltweit on-demand, multimodal, digital auf der Basis von ÖPNV und Taxi verknüpfen kann.
Kommentar schreiben