Als wir vor knapp drei Jahren mehr oder weniger „aus dem Bauch“ heraus die Doppel[t]spitze gestartet haben (damals waren wir einfach nur ein Führungsduo) und „unser“ Team übernommen haben war uns eins klar:
Wir wollen nicht einfach so weitermachen, mit Projekten und Prozessen, die schon seit Jahren liefen. Wir wollen von Null starten, unsere Ideen einbringen, diskutieren, jeden im Team einbeziehen, dessen Kreativität fordern und fördern.
Erst viel später sind wir darauf gestoßen, dass das agil sein könnte, eine neue Form der Führung, vielleicht sogar NewWork?! Wir sind also nicht auf einen Trend aufgesprungen, sondern unseren Instinkten, Gefühlen und Erfahrungen gefolgt. Mit dem Ziel eines erfolgreichen Teams, mit dem Mut, auch Fehler zu machen, und praktisch ohne Tools. Aber auch mit Zielzahlen.
Was genau in der Zwischenzeit passiert ist, welche Projekte gut und schlecht liefen, wo wir gestolpert sind, gewonnen haben, wir uns agil oder in total starren Strukturen gefangen gefühlt haben würde an dieser Stelle zu weit führen (aber auch davon werden wir berichten!).
Was wir aber im letzten Jahr an Erfahrung dazu gewonnen haben ist vor allem die eine:
Es gibt keine Pille, keinen linearen Plan für agile Führung. NewWork ist auch keine.
Was? Jetzt haben wir doch Twitter, Instagram und unseren Blog mit NewWork überflutet, kein Buzzword ausgelassen, jeden Artikel inhaliert, agiles Mindset gepredigt und einen Workshop zu agiler Führung implementiert.
Ja, genau das tun wir auch weiterhin. Aber vielleicht ein bisschen differenzierter. Der Sinneswandel kommt nicht von heute auf morgen – er kommt, wie der Start auch, durch die Arbeit im Team. Und vielleicht auch ein bisschen durch Schlüsselerlebnisse.
NewWork Sessions, agile Diskussionsrunden, StandUps, Weeklies… was auch immer. Um unserem Führungsmodell, das für uns (und diese Sicht kann nur jeder für sich, sein Team und sein Unternehmen individuell entwickeln) die perfekte und zukunftsfähige Form des Führens darstellt, Substanz und Berechtigung zu geben, haben wir Konferenzen und Tagungen besucht, uns ausgetauscht und umstrukturiert.
Warum Berechtigung? Da kommt vermutlich unser wissenschaftlicher Hintergrund zum Tragen. Wir agieren zwar nach dem Prinzip „einfachmalmachen“, hinterfragen unser Tun aber ständig und suchen nach passenden Modellen und Lehrmethoden. Eben die Kombination aus Wirtschaft und Wissenschaft – da sind sie wieder: unsere zwei Blickwinkel.
Wir haben auf so manchem bunten Würfel oder Sitzsack gesessen und dabei gedacht, dass es jetzt an einem bequemen Tisch auch nicht schlechter wäre (oder weniger kreativ). Denn eine Session wird nicht alleine dadurch bunt, dass wir danach ins Bällebad springen oder mit Legosteinen unsere Vision bauen. Nicht falsch verstehen – all das hat seine Berechtigung. Aber nur, wenn wir den Kern unseres Geschäfts nicht aus den Augen verlieren. Und wenn die Inhalte passen, die Botschaft neu, stark und echt ist.
Dem einen oder anderen Konferenzbeitrag hätten wir gerne in Ruhe zugehört und wären nicht von Session zu Workshop zu Key Note gehüpft. Wir brauchen keinen geschlossenen Inner Circle der „Infizierten“.
NewWork ist keine Partydroge, die unseren Alltag reformiert, digitalisiert und zukunftsfähig macht. Es gibt keine Pille oder Infusion, die uns schlagartig unsere Gewohnheiten über Bord werfen lässt und Engagement und Kollaboration zu den gültigen Prinzipien erklärt.
Und ja, Sitzsäcke finden wir am Strand in der Freizeit noch eine Nummer besser als im Büro.
Als Team, Berater und Coaches passen wir uns den Kunden an. Wenn dort Agilität heißt, dass man erst einmal nur über flexiblere Arbeitszeitmodelle spricht ohne direkt den Konferenzraum aufzulösen oder die Bürowand einzureißen, dann müssen (und dürfen) wir das akzeptieren.
NewWork heißt eben auch, Strukturen zuzulassen, wenn sie gut funktionieren. Wir müssen nicht um jeden Preis trendy sein. Und wir dürfen nie zu schnell sein für das Team oder den Kunden. Disruptiv wandelt sich unser Umfeld – ja, Technologie schafft das. Bei Menschen müssen wir ein bisschen vorsichtiger und geduldiger sein.
Wir werden den Anschluss an die Roboter schon nicht verlieren, wir steuern sie ja.
Die Gefahr, einen Teil der Arbeitnehmer abzuhängen, ist viel größer – wir brauchen jeden Menschen, jede Meinung! Und es war ja auch bisher nicht alles schlecht. Führung unterliegt wie so viel dem Wandel der Zeit. Und es gibt immer gute und schlechte Ausprägungen eines Führungsstils – die liegen im Leader(team) selbst. Neu ist, dass die Meinungen aller im Team heute zum Tragen kommen sollen. Das ist gut, aber auch komplex.
Mit unserem Start waren wir also unbewusst mehr oder weniger agil, haben Prozesse von Grund auf durchleuchtet und in Frage gestellt, Fach- von Führungskompetenz geteilt und operative Projekte komplett übergeben. Das Team war begeistert von Selbstorganisation und Verantwortung, war kreativ und motiviert. War?
Sind wir natürlich immer noch, aber wir müssen dran bleiben. Denn nach dem ersten Jahr waren die neuen Methoden, das Aufregende, das Kreative plötzlich schon einer gewissen Routine gewichen. Agilität und Kreativität – das mag altmodisch klingen – spiegeln sich für uns nicht in Chaos, bunten Möbeln und Büroklüngel wider. Und informeller Austausch in allen Ehren – Unternehmen mit 25 Stunden-Woche funktionieren nur, weil sie in diesen Stunden effizient hoch zwei sind. Kaffee gibt´s danach.
Die latente Gefahr, dass die motivierenden Elemente zur Normalität werden und die Probleme unbewusst wieder nach oben delegiert werden, besteht bei nicht monetären genauso wie bei den „alten“ monetären Anreizsystemen.
Weil: es soll ja lustig bleiben im Büro.
Wir haben in den letzten drei Jahren viel gelernt. Das ist tatsächlich ein Element unserer Organisation, das wir immer konsequent gefordert und gefördert haben und es ist für uns einer der grundlegendsten Bausteine einer neuen, innovativen und zukunftsgerichteten Unternehmenskultur. Kontinuierliches, konsequentes Lernen und Teilen von Wissen.
Wir haben nicht nur einmal umstrukturiert - was nicht heißt, dass wir dauernd das Team ausgewechselt haben. Wir haben gemeinsam auch viel probiert. Und letzteres werden wir mit Sicherheit beibehalten. Auch wenn es mal schief geht.
Es bleibt ein ständiger Wandel: als Führungstandem, als Team, als Mensch. Das ist unser Kern des agilen Führens. Wir haben – auch aus unserem beruflichen und persönlichen Hintergrund aus der Zeit „vor der Doppel[t]spitze“ – zahlreiche Beispiele für gute, schlechte, agile, hierarchische Führung, die wir in unser Coaching auch der Kollegen einfließen lassen.
Neue Führung geht nur, wenn man die alte versteht.
Und damit Vertrauen in und Verständnis für die Menschen hat, die aus diesen verschiedenen Führungsumfeldern im aktuellen Team zusammenkommen. Für die Zukunft lautet die Maxime in Teams und Unternehmen nicht mehr Anpassung sondern Metamorphose. Das eine macht man, weil es velangt wird und es ist beschränkt; das andere ist ein natürlicher, offener Prozess.
Egal wie agil die Prinzipien sind, die wir uns auf die Fahne schreiben: sie sollten nicht als Thesen an die Wand genagelt sein. Es sei denn, die Buchstaben können wir austauschen oder die Liste ist erweiterbar.
Eins noch – des Sitzsacks wegen: Auf Augenhöhe führen kann man auch mit Bürotür und Drehstuhl.
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