Netzwerkveranstaltungen sind auch immer ein bisschen Black Boxes. Mal läuft es ganz gut, mal findet man so gar nicht rein, es gibt spritzige Impulsvorträge oder langatmige Eröffnungen, leere Stühle, die mit dem guten Wetter entschuldigt werden, mit Glück sind zumindest die Häppchen gut.
Die Veranstaltung Einblick HR war ein ausgesprochen positives Highlight in dieser Reihe - nicht nur wegen der exquisiten Häppchen und deren noch charmanteren Präsentation durch die Gastgeberin.
…aber von Anfang an.
Führung und Zusammenarbeit in Zeiten des digitalen Wandels - Den Masterplan für die digitale Transformation gibt es nicht. Stattdessen herrscht Unsicherheit, was dieser Wandel genau für das eigene Unternehmen bedeutet. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Digitalisierung für das eigene Geschäftsmodell, die Strategie, die Organisation von Prozessen, das Verhalten der Führungskräfte und letztendlich für die tägliche Zusammenarbeit unter Kollegen?
Hierzu haben die managerberater und die Skopos View gemeinsam eingeladen – mit Themen und Referenten, die mehr als vielversprechend klangen. Die Location hatten wir noch gar nicht so im Blick. Das änderte sich kurz nach der Ankunft. Herzliche Begrüßung – aber mit dem Hinweis, doch gerne als erstes den Blick im Abendlicht zu genießen. Und in der Tat – der Cölner Club ist die perfekte, besondere Netzwerk-Location. Den Dom im Focus. Noch besser, wenn man den wirklich letzten, großartigen Sommerabend erwischt. Den winzigen Nachteil, dass keiner der Gäste die Dachterrasse zum Vortragsprogramm verlassen wollte, machten die Moderaten im Nullkommanix wett. Die Referenten genauso.
„Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit übertrifft.“
Auch Michael Basmann, managerberater, kann nicht mit absoluter Sicherheit bezeugen, dass das Albert Einstein gesagt haben soll – aber es ist ganz klar das Szenario, das viele Menschen bewegt. Darum ist er mit seinen Kollegen so nah am Thema Digitalisierung, Agilität und deren Einfluss auf HR dran.
Genau wie Marielle Schweizer von Skopos View – die sich aus eigener Erfahrung darauf freut, weitere Beispiele zur Einführung agilen Arbeitens kennenzulernen – nach einem Jahr mit ganz vielen turbulenten Erfahrungen in diesem Bereich.
Nikolai Förster, managerberater, eröffnete die erste Session mit einem Überblick über die Studienergebnisse zum Thema „Auf dem Weg zur Digitalisierung – Wo sehen Führungskräfte ihren Entwicklungsbedarf?“
Erschreckend: von den 8 im Rahmen der Befragung zur Auswahl stehenden Technologien (u.a. Bots, Social Media, Big Data) hielten 25% der befragten Führungskräfte keine Technologie für relevant für ihren Verantwortungsbereich. Wo leben die denn???
Spannend: Command and Control versus Agilität – in den untersuchten Unternehmen ist das gar nicht so ein Gegensatz, sondern vielmehr ein themen- und projektspezifisches positiv: Miteinander/ negativ: Nebeneinander.
Was uns alle unmittelbar zum Konzept der beidhändigen Führung überleitete. Ambidextrie kann nur erfolgreich gelebt werden, wenn Kultur, Prozesse und Arbeitsweisen angepasst werden. Was sich so logisch und einfach anhört, ist in der Realität (wir nicken bestätigend…) die größte Schwierigkeit. Denn Silos lassen sich eben nur einreißen, wenn alle (oder möglichst viele) Abteilungen mitmachen. Und selbst wenn das ganz leidlich funktioniert – die Lehmschicht zur Führungsetage kann selbst den positivsten Innovator zermürben. Ambidextrie heißt eben nicht nur, das Beste aus zwei Führungswelten zu kombinieren, sondern auch, das Negative aus zwei Führungswelten zu ertragen.
„Was informelle Netzwerke in Unternehmen über deren Agilität verraten" -
Hannah Rexroth von Skopos View und Elsa Breit von der Uni Siegen haben dazu ihre Forschungsergebnisse vorgestellt. Agile Unternehmen haben vielfältigere Beziehungen, Ankerpunkte machen sich nicht an Hierarchien fest und Austausch ist multidimensional. So pauschal die Aussage klingt – sie ist zum einen absolut komplex (Elsa Breit könnte darüber unglaublich viel Interessantes erzählen und wird es im Rahmen ihrer Dissertation auch noch tun. Wie großartig, wenn Netzwerken dazu führt, dass wir Alumni unseres EUFH-Bachelors wiedertreffen, die gerade ihren ganz agilen, individuellen Karriereweg gehen!!!); zum anderen ist sie Motivator für Aktionen wie „Neverlunchalone“, NetworkLunch oder Lunch&Learn.
Je mehr wir uns verbinden, je mehr wir uns austauschen, desto mehr lernen wir, desto mehr verstehen wir einander, desto mehr gemeinsame oder neue Ideen haben wir.
Netzwerken ist per se agil.
Wir sind Hochschulvertreter und Wissenschaftler – der Theorieteil war absolut fundiert und machte neugierig auf „Praxis“. Und die folgte in Session 2…
„Digitalisierung – darüber reden oder machen“ – dazu stellte Volker Scheeff, Head of IT Applications and Projects der Körber Unternehmensgruppe, sein Unternehmen und dessen Digitalisierungsansätze vor. Oder eben den täglichen Wahnsinn & Umgang damit – denn währen Siri angeblich nicht weiß, wo wir wohnen, wenn wir sie (?) fragen, kann uns Google komischerweise immer ganz genau sagen, wie lange wir vom Büro nach Hause brauchen – ohne dass wir jemals einen der beiden Orte aktiv benannt haben (selbst Scheeffs Kinder bezichtigen Siri hier schon der Lüge…). Big Data ist also ein Thema. Herzlichen Gruß an die 75%, die das nicht glauben.
Auf der anderen Seite sitzen auch im Open Space mit mobilem Office der Körber AG 100% der Mitarbeiter jeden Tag an exakt dem gleichen Platz.
Und genau das beschreibt die Gratwanderung unserer digitalen Prozesse. Es gibt die, die können, dürfen und wollen. Und die, die nicht können, nicht wollen, nicht dürfen. Und das dann auch noch in jeder möglichen Kombination und Ausprägung. Komplex. Herausfordernd. Und darum eben genauso spannend wie beängstigend.
Da kann so eine digitale Superkeimzelle wie Körber Digital in Berlin (weil hip und agil ist nur Berlin) für den Kickoff durchaus helfen. Aber transformiert werden muss Digitalisierung und Innovation auch ins Stammunternehmen. Nach Hamburg. Dessen ist sich Volker Scheeff total bewusst. Und auch darüber, dass wenn Du Dich selbst nicht bewegst jemand anders Dein Business machen wird. Und der wird im Zweifel nicht im Entferntesten aus Deiner Branche kommen. Die Konkurrenz ist quasi überall. Digital und viral.
Session 3 schloss in Sachen Enthusiasmus und Validität nahtlos an; auch hier vor allem wegen der Präsenz und Eloquenz des Speakers: Sudan Jackson¸ Manager Organisational and Cultural Development im Bereich Technologie, REWE Digital, interpretierte seine Version von „Freiheit braucht Regeln“.
Sudan Jackson macht sein Ding mit voller Überzeugung - das wird jedem sofort klar, der ihm zuhört. Und trotzdem legt er Wert darauf, kein Missionar zu sein. „Ihr müsst alle agil werden – das Ende ist nah!“ Großartig – vermutlich würden wir ihm sofort folgen, hätte er dieses Plakat vor dem Dom stehend in der Hand. Denn ihm glaubt man jedes Wort, das er sagt. Weil er es geschafft hat, weil er eine Vision hat, weil er Mensch Mensch sein lässt, weil er auch an Grenzen stößt, weil er Lösungen sucht. Ja das alles hat er in 15 Minuten rübergebracht und selbstgezeichnet. Bei ihm ist Agilität glaubhaft und authentisch.
Wenn
wir nur agil sind, weil es in ist, können wir auch weiter alles so machen, wie wir es schon immer machen.
Agilität lässt sich nur mit Überzeugung anstoßen und dann „we are constantly improving“ – wir arbeiten dran, wir wollen uns verbessern, wir lernen, wir bleiben dran. Agilität ist kein Projekt, das irgendwann fertig ist. Es ist ein dauerhafter Prozess. Wenn wir keine klassischen Hierarchien mehr haben, müssen wir uns aus dem Stroh, das den Nährboden bietet, unsere eigenen Nester bauen. Und dann gibt es natürlich Personen mit einem größeren Wirkungskreis. Aber die werden nicht benannt oder befördert, sondern sie beweisen sich oder erwachsen aus dem Team.
Wer diese Art der Talententwicklung nicht akzeptiert, passt nicht in eine agile Struktur.
Die Black Box dieses Abends war auf jeden Fall ein Volltreffer. Jeder Vortrag für sich, die nachfolgenden Gespräche und – nicht zuletzt – auch die Location. Ganz herzlichen Dank an Nikolai Förster und seine Frau insbesondere für das „Netzwerken im Kleinen“ danach. Das Schönste neben dem Wissensinput ist doch auch immer das Kennenlernen von neuen Menschen mit ähnlichen Wellenlängen.
Am letzten Sommerabend mit Blick auf den beleuchteten Dom.
Agile meets history.
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